Neues vom Weingut

Gedanken und Erlebnisse zum Weinjahr 2023

Schon am 29. September haben wir in diesem Jahr unsere Traubenernte beendet, so früh waren wir vermutlich noch nie gewesen. Eigentlich hatten wir damit gar nicht mit gerechnet.

Doch starten wir von vorne: Das Frühjahr begann eher kühl und regnerisch, was uns freute, weil der Winter ein großes Niederschlagsdefizit hinterlassen hat. Allerdings endete die „Regenperiode“ am 14. Mai und es folgte eine lange Periode bis Ende Juli ohne nennenswerten Niederschlag. Zwischenzeitlich hatten wir ein Niederschlagsdefizit von 150 mm zum langjährigen Durchschnitt und dies bei hohen Temperaturen.

Die Blüte der Reben erfolgte dadurch bei idealen Bedingungen Mitte Juni. Anhand der Regel, dass 100 Tage nach der Blüte die Ernte der mittleren Reifegruppe (Burgunderreben) erfolgt, gingen wir von einem
Erntebeginn am 10. September aus. Die Begrünungen in den Weinbergen wurden im Sommer braun, die Reben zeigten je nach Alter der Anlagen und Bodenbedingungen leichten bis mittleren Trockenstress. Insofern waren wir hocherfreut als Ende Juli endlich wieder nennenswerter Regen fiel. Faszinierend ist dann immer wieder zu beobachten, wie schnell die Rebzeilen wieder ergrünen. Allerdings regnete es im August mit insgesamt 96 mm Niederschlag lustig weiter und wir bekamen so langsam die ersten Sorgenfalten, denn Feuchtigkeit auf reifende Trauben geht schnell in Fäulnis über. Insgesamt waren unsere Anlagen aber mit der entblätterten Traubenzone und luftig aufgebauter Laubwand gut darauf vorbereitet.

Zur Erläuterung: Vor 20-30 Jahren gab es Nachts keinen Hagel, weil die Temperaturdifferenz dazu nicht ausreichte. Ebenso nahm die Wahrscheinlichkeit eines Hagelschadens ab Mitte/Ende August deutlich ab. Der Jahrgang 2023 hat dies widerlegt. In der Nacht auf den 26. August hagelte es nachts um halb eins und schädigte unsere Weinberge in Pfeddersheim mit durchschnittlich 40 %. Wir waren auf dem Weinfest in Aachen und erfuhren durch einen Anruf eines Berufskollegen am nächsten Morgen davon. Glücklicherweise blieben die Weinberge in Dalsheim ganz und Osthofen weitestgehend verschont.

Was passiert bei einem solchen Ereignis? Zum einem werden Beeren oder auch ganze Trauben direkt abgeschlagen, diese sind natürlich komplett verloren. Zum anderen werden Beeren angeschlagen und der Saft tritt aus. Dies geht schnell in Essigfäule über mit einem äußerst unangenehmen Geschmack und Geruch. Allerdings können bei Trockenheit die angeschlagenen Beeren wieder eintrocknen und in Edelfäule übergehen. Schon mein Großvater sagte zu mir als Kind: „Du musst die faulen Trauben essen, die schmecken am besten“.

Was also tun? Am Montag, nach der Rückkehr aus Aachen, entschieden wir uns sofort die Frühburgunder und Dornfelder zu ernten. Beide Sorten waren bereits erntereif, allerdings war eine Rotweinbereitung mit Maischegärung nicht möglich. Darum wurden die Trauben direkt nach der Ernte gekeltert und zu Rosé verarbeitet. Glücklicherweise haben wir auch Dornfelder in Dalsheim, den wir später als Rotwein ernten konnten. Den Frühburgunder gibt es in diesem Jahr allerdings nicht als Rotwein. Ebenso ernteten wir eine Parzelle vom Sauvignon blanc direkt, weil diese fast keine Blätter mehr hatte.

Bei den übrigen hagelgeschädigten Anlagen entschieden wir uns, die Entwicklung abzuwarten und zu hoffen, dass die Fäulnis eintrocknet. Bei Tagestemperaturen von 30 Grad ging das auch überraschend schnell. Die Trauben in den Weinbergen, die nicht vom Hagel betroffen waren, hatten je nach Sorte ganz unterschiedliche Qualität. Lockerbeerige Sorten waren top gesund, kompakte Sorten drückten sich bedingt durch die Niederschläge im August auf, was zu Fäulnis führen kann. Insofern war in diesem Jahr eine intensive Vorlese (das konsequente Entfernen aller negative Trauben) so notwendig, wie wir es noch nicht erlebt hatten.

Und es gab noch eine weitere Problematik: Die hohen Temperaturen von 30 Grad. Dies bedeutet im Sonnenschein ganz schnell eine Beerentemperatur von 40 Grad. Dies beschleunigt zwar die Reife, macht aber eine Ernte tagsüber nahezu unmöglich, weil die Trauben zu schnell und unkontrolliert anfangen zu gären. Dies führt zu Fehlgärungen und negativen Gärungsnebenprodukten. Insofern ernteten wir ausschließlich nachts, der frühste Lesestart war um 2 Uhr. Eigentlich hätte dies uns ja als Herausforderungen gereicht, aber es kam wieder anders.

Am 12. September, abends um 19 Uhr, erlebten wir ein erneutes Unwetter mit noch größeren Schäden als beim ersten. Es gibt keinen Pfeddersheimer, der nicht irgendwie geschädigt ist. Die bis zu golfballgroßen Hagelkörner zerschlugen Dachfenster, Regenrinnen, Wintergärten und Dächer, Autos heißen hier jetzt auf gut rheinhessisch „Duppeschees“, weil alle zerbeult sind. An manchen Weinbergen hing kein Blatt und keine Beere mehr, es sah aus wie im Winter. Sogar die Tagesschau berichtete vom Unwetter, auf diesen Ruhm hätten aber alle hier gerne verzichtet. Bei uns waren glücklicherweise nur die bereits geschädigten Weinberge erneut getroffen worden, die Weinberge in Osthofen und Dalsheim waren wieder unversehrt geblieben.

Unsere Weinberge in Pfeddersheim hatten wir schon zum großen Teil geerntet, nicht zuletzt weil die Edelfäule ja auch zu einem rasanten Anstieg des Mostgewichts führt. Insofern entschieden wir uns, die noch hängenden 4 Partien sofort in der nächsten Nacht (kühle Temperaturen) zu ernten. Dies führte uns zwar an die körperliche Grenzen, aber wir konnten doch noch einen Teil der Ernte retten.

Die restliche Ernte konnten wir entspannt bei sehr guten Qualitäten einbringen. und sind jetzt erstaunt über das frühe Ernteende noch im September.

Ulis persönliches Fazit: „Eigentlich gar nicht vorstellbar, 1981, in meinem ersten Lehrjahr, hatten wir zu dem Termin erst angefangen zu lesen. Ich finde, dass dieser Jahrgang ganz extrem zeigt, wie sich unser Leben und unser Ernterisiko durch den Klimawandel signifikant verändert.“